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Bauwelt
Shqipëria
Im Osten geht die Sonnen auf

Noch vor einiger Zeit hätte man in einem Thementeil über Albanien kaum neuartige oder prestigeträchtige Projekte zeigen können. Bis in die 2000er Jahre spielte sich das Baugeschehen des Landes weitgehend in Grauzonen ab. In einer von wirtschaftlichen Turbulenzen, politischen Verwerfungen und Auswanderung geprägten Zeit konnte man den oft verklärenden Blick nur auf informelle Bauten richten – oder zurück auf ein Bauerbe, das die durch Fremdbestimmung geprägte Geschichte des Landes widerspiegelt.

Vom Osmanischen Reich zum österreichischen Protektorat hin zu einer wackeligen Demokratie und einem Königreich, das von Italien besetzt wurde. Unter der Führung Envar Hoxhas wird Albanien dann 1946 Sozialistische Volksrepublik. Nach Bündnissen mit Jugoslawien, der UdSSR und China ist das Land ab 1974 fast vollständig isoliert. Symbol dieser Abschottung sind 173.371 Bunker, die Hoxha aus Angst vor Invasoren errichtet und die einen großen Teil der damaligen Baukapazitäten binden. Das Regime endet sechs Jahre nach dessen Tod im Jahr 1991. Im Zentrum Tiranas steht bis heute eine zur Erinnerung an den Diktator errichtete Pyramide.

Heute sind Hoxhas Bunker genauso Teil des Klischees von Albanien, wie die informellen Bauten der letzten Übergangszeit und die bunt bemalten Fassaden Tiranas. Jüngst tauchen aber neben solch oft belächelten Kuriositäten neue Bilder auf: Die Politik des gegenwärtigen Bürgermeisters Erion Veliaj begünstigt Pläne von Büros wie MVRDV, BIG oder Stefano Boeri und kann bereits realisierte Projekte von 51N4E und Bolles+Wilson vorzeigen. Zu dieser Aufbruchstimmung kommen lokale Initiativen und der Prozess der Formalisierung illegaler Bauten. Das Baugeschehen zeugt von einer neuen Baukultur mit vielversprechenden Ideen. Die Tätigkeit internationaler Architekten weckt jedoch auch Sorgen vor zu starken Einflüssen von außen.

Albanien befindet sich pünktlich zu den in diesem Jahr beginnenden EU-Beitrittsverhandlungen mitten in einem bedeutenden Wandlungsprozess. Diese Bauwelt ist als Einladung zu verstehen, nicht Klischees, sondern eigene Positionen zu hinterfragen. Albanien ist Teil europäischer Realität.